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1.1 Die Geschichte von LilyPond
Lange bevor LilyPond benutzt werden konnte, um wunderschöne Aufführungspartituren zu setzen, bevor es in der Lage war, Noten für einen Unversitätskurs oder wenigstens eine einfache Melodie zu setzen, bevor es eine Gemeinschaft von Benutzern rund um die Welt oder wenigstens einen Aufsatz über den Notensatz gab, begann LilyPond mit einer Frage:
Warum schaffen es die meisten computergesetzten Noten nicht, die Schönheit und Ausgeglichenheit von handgestochenem Notensatz aufzuweisen?
Einige der Antworten können gefunden werden, indem wir uns die beiden folgenden Noten zur Analyse vornehmen. Das erste Beispiel ist ein schöner handgestochener Notensatz von 1950, das zweite Beispiel eine moderne, computergesetzte Edition.
Bärenreiter BA 320, ©1950:
Henle Nr. 666, ©2000:
Die Noten sind identisch und stammen aus der ersten Solosuite für Violoncello von J. S. Bach, aber ihre Erscheinung ist sehr unterschiedlich, insbesondere wenn man sie ausdruckt und aus einigem Abstand betrachtet. (Die PDF-Version dieses Handbuchs hat hochauflösende Abbildungen, die sich zum Drucken eignen.) Versuchen Sie, beide Beispiele zu lesen oder von ihnen zu spielen, und Sie werden feststellen, dass der handgestochene Satz sich angenehmer benutzen lässt. Er weist fließende Linien und Bewegung auf und fühlt sich wie ein lebendes, atmendes Stück Musik an, während die neuere Edition kalt und mechanisch erscheint.
Es ist schwer, sofort die Unterschiede zur neueren Edition auszumachen. Alles sieht sauber und fein aus, möglicherweise sogar „besser“, weil es eher computerkonform und einheitlich wirkt. Das hat uns tatsächlich für eine ganze Weile beschäftigt. Wir wollten die Computernotation verbessern, aber wir mussten erst verstehen, was eigentlich falsch mit ihr war.
Die Antwort findet sich in der präzisen, mathematischen Gleichheit der neueren Edition. Suchen Sie die Taktstriche in der Mitte jeder Zeile: im handgestochenen Satz hat die Position dieser Taktstriche sozusagen natürliche Variation, während die neuere Version sie fast immer perfekt in die Mitte setzt. Das zeigen diese vereinfachten Diagramme des Seitenlayouts vom handgestochenen (links) und Computersatz (rechts):
Im Computersatz sind sogar die einzelnen Notenköpfe vertikal aneinander ausgerichtet, was dazu führt, dass die Melodie hinter einem starren Gitter aus musikalischen Zeichen verschwindet.
Es gibt noch weitere Unterschiede: in der handgestochenen Version sind die vertikalen Linien stärker, die Bögen liegen dichter an den Notenköpfen und es gibt mehr Abweichungen in der Steigung der Balken. Auch wenn derartige Details als Haarspalterei erscheinen, haben wir trotzdem als Ergebnis einen Satz, der einfacher zu lesen ist. In der Computerausgabe ist jede Zeile fast identisch mit den anderen und wenn der Musiker für einen Moment weg schaut, wird er die Orientierung auf der Seite verlieren.
LilyPond wurde geschaffen, um die Probleme zu lösen, die wir in existierenden Programmen gefunden haben und um schöne Noten zu schaffen, die die besten handgestochenen Partituren imitieren.
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